In seinem menschlich reifsten Werk verzichtet der leidenschaftliche Aufklärer auf Überzeichnung durch Pointierung, auf schwarzen Humor und effektsicheren Witz zugunsten einer perfekt ausbalancierten Dialektik, die keinen »Bösewicht« und simplen Gegner des Helden mehr braucht. Shaw will vielmehr Individuen darstellen, in denen sich auch Zeitgenossen anderer Epochen betroffen wiedererkennen müssen.
Mit seinem 1923 entstandenen »klassischen Stück« über das Bauernmädchen Johanna von Orléans, das sich allein von inneren Stimmen leiten ließ, 1431 als Ketzerin auf dem Scheiterhaufen endete und nach postumer Revision des Todesurteils 1920 heiliggesprochen wurde, erreichte Shaws dramatisches Schaffen seinen Höhepunkt: In seinem menschlich reifsten Werk verzichtet er auf Überzeichnung und effektsicheren Witz zugunsten einer perfekt ausbalancierten Dialektik, die keinen »Bösewicht« und simplen Gegner des Helden mehr braucht. Shaw stellt Individuen dar, in denen sich auch Zeitgenossen anderer Epochen betroffen wiedererkennen müssen - Geschichte wird so zu möglicher Gegenwart.