Die von Niklas Luhmann entwickelte Systemtheorie gewinnt zunehmend auch
für die geisteswissenschaftlichen Fächer an Bedeutung. Dennoch wird ihre
Rezeption in diesen Bereichen noch immer durch den hohen Abstraktionsgrad
der Luhmannschen Texte behindert und ihr ¯Gebrauchswert® für die empirischen
Wissenschaften angezweifelt. Die geringe Zahl der historischen Studien,
die von systemtheoretischen Begriffen angeleitet werden, zeugt von dieser
freiwilligen Selbstbeschränkung. Die Einführung von Frank Becker und Elke
Reinhard-Becker versucht diesen Misstand aufzuheben, indem sie sich nicht
der Theorie um ihrer selbst willen zuwendet und bloße Begriffsdiskussionen
vermeidet. Vielmehr wird der Fokus auf den praktischen Nutzen für die kulturwissenschaftlichen
Disziplinen gelenkt. Das Luhmannsche Modell des Geschichtsverlaufs, seine
neue Definition der Moderne und die Aussagen zur Kausalität betreffen unmittelbar
die Geschichtswissenschaften. Luhmanns Semantikbegriff besitzt vor allem
für die Kulturwissenschaften ein erhebliches Anwendungspotential, das von
den Literatur-, Politik- und Kommunikationswissenschaften bislang nur ungenügend
ausgeschöpft wurde. Die Autoren beleuchten aber auch die Grundlagen der
Systemtheorie, indem sie die wichtigsten Begriffe und Denkfiguren auf eine
Weise darstellen, die auch für Anfänger verständlich ist. Die grundlegenden
Primär- und Sekundärtexte werden in einer den Band beschließenden Auswahlbibliographie
kommentiert. Frank Becker ist Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte
an der Universität Münster. Elke Reinhardt-Becker studierte Germanistik,
Politik- und Kommjunikationswissenschaft. Sie ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin
an der Universität-GH Essen.